Tagebuch von Alfred Vyth

Alfred Vyth verließ Kalkar 1937 und emigrierte offiziell in die Niederlande. Zusammen mit seiner Frau Elli wohnte er in Nimwegen.In seinem Tagebuch beschreibt Alfred Vyth die Ereignisse in der Zeit der deutschen Besetzung von Mai 1940 bis nach der Befreiung 1945. Ein Transkript eines Interviews mit Alfred Vyth vom 22. Juli 1985 in niederländischer Schrift sowie ein Beitrag von Alois Puyn mit dem Titel „In Nimwegen untergetaucht“ findet sich hier: https://www.oorloginnijmegen.nl/index.php/oorlog-in-nijmegen/razzia-s-en-deportaties/551-razzia-s/razzia-s-bron/1421-interview-met-alfred-vyth

 

 

Geschrieben von: Alfred Vyth, geb. 3. Dezember 1911, übertragen von seinem Sohn Arno Vyth. Übersetzt aus dem Niederländischen ins Deutsche.

Am 15. Juli 1942 untergetaucht bei der Familie Magendans, Verl. Groenestraat 14, Nimwegen. Am 20.09.1944 endlich frei.

Einige Ereignisse während der Besatzung.

1940: Ablieferung von Brieftauben und großen Hunden. Alle aktuellen Münzen werden eingezogen.

Februar 1941: Streiks in Amsterdam wegen der Deportation von Juden. Ablieferung von Metallgegenständen.

September 1942: Der Wintervorrat an Kartoffeln wird beschlagnahmt,

25.03.1942: Prominente Personen werden als Geiseln genommen.

November 1942: Übergabe der Kirchenglocken

17.11.1942: Deportation der meisten Juden aus Nimwegen.

01.05.1943: Niederländische Armee wieder in Kriegsgefangenschaft. Infolgedessen brechen im ganzen Land Streiks aus. Es folgen viele Todesurteile. Gleichzeitig werden die Geburtsjahrgänge ’24, ’23, ’22 und ’21 zur Arbeit in Deutschland einberufen.

04.05.1943: Alle ehemaligen Studierenden, die keine Treueerklärung unterschreiben, müssen ebenfalls nach Deutschland. Die meisten Universitäten sind geschlossen.

13.05.1943: Abgabe aller Radiogeräte

02.12.1943: Herr Magendans wird wegen des Besitzes einiger geheimer Blätter festgenommen und in Handschellen nach Arnheim gebracht. Abends ist er wieder frei.

22.02.1944: Bombenangriffe auf den Osten der Niederlande. Etwa 1.000 Tote in Nimwegen. Aufgrund der Evakuierung von Regierungsstellen kommen viele deutsche und NSB-Familien  nach Nimwegen. Viele Menschen müssen einfach so ihre Häuser verlassen und alles zurücklassen. (Anm. d. Red.: Die NSB war von 1931 – 1945 die faschistische bzw. nationalsozialistische Partei in den Niederlanden).

07.07.1944: Razzien wegen Attentats auf deutschen Soldaten. Die Innenstadt wurde abgesperrt. Wir können es vom Dachfenster aus sehen. Fahrräder werden beschlagnahmt. Die Bevölkerung von Nimwegen muss 2 Monate um 8 Uhr abends zu Hause bleiben und als diese zwei Monate verstrichen waren, mussten die gesamten Niederlande um 8 Uhr zu Hause sein.

02.09.1944: Abgabe von Schaufeln, Spaten, Spitzhacken, Äxten, Sägen, Brecheisen, Hämmern etc.

14.09.1944: Alle männlichen Personen der Jahrgangsstufen ’94 bis ’26, die nicht in lebenswichtigen Betrieben beschäftigt sind, müssen auf Anordnung der deutschen Behörden Verstärkungen aufbauen. Die Schüler der Sekundarstufe und des Vorbereitungsstudiums in der Gemeinde Nimwegen müssen den Anweisungen der Leiter für die Beschäftigung folgen. Wenn diese Anordnung nicht strikt befolgt wird, werden Vergeltungsmaßnahmen folgen, einschließlich des Anzündens von Häusern und der Ermordung von Geiseln.

16-09-44: Die Schüler weigern sich, zur Arbeit zu gehen und die Häuser einiger Lehrer werden geräumt.

17-09-44: Wir hatten einen schrecklichen Sonntag. Nimwegen wird von morgens halb zehn bis nachmittags halb zwei bombardiert. Bis Einbruch der Dunkelheit sind die englischen Jäger noch in der Luft, aber die Flugabwehrgeschütze haben aufgehört zu feuern. Die ganze Nacht hören wir Maschinengewehrfeuer und schwere Kanonen. Wir wissen jetzt: Die Luftlandetruppen sind bei Nimwegen gelandet.

18-04-44: Das Schießen dauert an, aber da zwischendurch hören wir den Jubel der Leute. Wir wissen jetzt: Die Befreier sind in der Stadt. Um 10 Uhr sind sie in der St. Annastraat. Herr Magendans hat ihnen bereits die Hand geschüttelt. Den ganzen Tag wird viel geschossen und viel geflogen. Abends wird es ruhiger. Das Schlimmste kommt noch: Als es dunkel wird, legen die Deutschen die Stadt an sieben Orten in Brand. Jetzt brennt der Teil der Innenstadt, der nach der Bombardierung vom 22. Februar übriggeblieben ist, auch ab.

19-09-44: Der Morgen beginnt ruhig, aber gegen 10 Uhr kommt es zu einem Bombentreffer in der Nähe unseres Hauses, keine 50m entfernt. Wir wissen nicht, ob es ein Flugzeug oder eine fliegende Bombe war. Es gibt Opfer.

20-09-44: Nachdem ich am Dienstag einen Blick auf die Straße geworfen habe und den ersten Amerikaner gesehen und ihm die Hand geschüttelt habe, gehen wir am Mittwoch offiziell auf die Straße. Ein seltsames Gefühl, wenn man 2 Jahre, 2 Monate und 2 Tage nicht mehr auf der Straße war. Wir gehen die St.-Annastraat hinauf und sehen die ersten schweren Panzer. Das Wetter ist wunderschön. Die Leute tragen ihre Sonntagskleider mit orangen Blumen und Anstecknadeln. Wir werden von allen Seiten beglückwünscht und denken, dass jetzt alle Gefahr vorüber ist und wir endlich frei sind.

Aber am Nachmittag setzt wieder Artilleriefeuer von beiden Seiten ein. Wir fliehen in unseren eigenen selbstgemachten Schutzkeller. Die Granaten sausen uns um die Ohren und wir hören sie gelegentlich ganz nah einschlagen. Darüber hinaus kommen tagsüber in kurzen Abständen Luftkämpfe mit heftigem Flakgeschützfeuer hinzu. Am Abend sehen wir, dass sich das Feuer in der Stadt noch weiter ausgebreitet hat und wir schlafen nun alle im Hinterzimmer auf dem Boden.

21-09-44: Donnerstags ist es bis nachmittags wieder sehr ruhig. Freunde aus Appeltern kommen uns mit der Pferdekutsche besuchen. Als wir um drei Uhr auf dem Weg zu Gotschalks sind, kommt es wieder zu Luftkämpfen. Wir müssen mehrmals in Keller flüchten. Wir kommen bis hinter dem Goffert, wo sie wohnen, aber sie sind nicht zu Hause. Wir sind froh, als wir wohlbehalten zu Hause ankommen. Hier hören wir gute Nachrichten von den Engländern: „Arnhem british, bridge british“. Aber fünfzehn Minuten später hören wir im Radio das Gegenteil. Die Luftlandetruppen haben sich diesseits des Rheins zurückgezogen und Arnheim ist wieder vollständig in deutscher Hand. Dies ist ein schwerer Rückschlag für die gesamte Kriegsführung, insbesondere für die Niederländer.

22-09-44: Es ist den ganzen Tag sehr unruhig. Auf der Straße ist eine Menge los, die Schießereien und die Flugzeuge machen mich so nervös, dass wir noch abends zu Familie Jansen in Neerbosch fahren. Es ist bereits dunkel, als wir ankommen. Die Freude ist groß, aber wir kommen vom Regen in die Traufe! Um das Haus herum stehen 15 – 20 schwere Kanonen, die auf Arnheim schießen. Wir schlafen im hinteren Teil des Hauses, aber dort wird gekocht und gebraten für 150 Personen. Es ist überhaupt nicht auszuhalten, so dass wir um 2 Uhr schon wieder mit Watte in den Ohren und einem Tuch um den Kopf in der Küche stehen. Es ist eine schreckliche Nacht. Nachdem ich einige alte Kunden besucht habe, kehren wir nach Nimwegen zurück. Aber wir kommen nicht zur Ruhe. Es wird immer schlimmer: Die Granaten schlagen vor und hinter unserem Haus ein. Ich sehe den ersten toten Soldaten auf der Straße liegen.

29-04-44: Ich bestehe darauf, dass wir die Stadt verlassen. Um 7 Uhr morgens erleben wir zuerst ein Bombardement, aber um 10 Uhr sind wir fertig und wir gehen zu Fuß nach Wijchen. Es war sehr gefährlich: Die Granaten fliegen um unsere Köpfe herum und deutsche Jagdflugzeuge fliegen wieder über die Stadt. Wir müssen oft in Deckung gehen und sind froh, als wir die Stadt hinter uns gelassen haben. In Wijchen werden wir von einem Auto abgeholt und fahren nach Appeltern zu der Schwester von Frau M. Hier ist es ruhig. Wir hören die Schießerei in der Ferne. Wir haben gute Kontakte zu englischen und schottischen Soldaten, die hier einige Tage bleiben.

02-10-44: In Druten wurde ich von 9 bis 16 Uhr vom OD (Ordnungsdienst) festgehalten. Sie ließen mich gehen, nachdem ich ihnen meine Meinung gesagt hatte! Es weht wieder ein anderer Wind und du kannst deinen Mund wieder aufmachen!

06-10-44: Ich hatte Druten kaum eine halbe Stunde verlassen, als Granaten auf die Straße fielen: 5 Menschen wurden getötet!

11-10-44: Wir besuchten ein Konzert schottischer Soldaten. Es hat Spaß gemacht und wir haben gelacht.

13-10-44: Uns wurden 2 jüdische Soldaten vorgestellt, die erst 1938 aus Österreich flohen und nun als Freiwillige in der englischen Armee dienen. Der Ältere brachte mir 100 Zigaretten und Elli 2 Stück Seife.

18-10-44: Morgens ging ich wieder nach Druten. Eine halbe Stunde zuvor waren wieder Granaten gefallen. Die Kirche ist beschädigt. Jetzt gehe ich dort nicht mehr hin.

03-12-44: An meinem Geburtstag habe ich zum ersten Mal wieder mit Paul gesprochen. Er kam aus Wanrooy zu Besuch und war erst 8 Tage frei. Am Donnerstag bekam er eine Tochter. Er hat in den zwei Jahren viel durchgemacht. Er sah schlecht aus.

16-12-44: Wir haben die erste fliegende Bombe gehört und gesehen. Ich wurde um 5 Uhr morgens von einem seltsamen Geräusch geweckt. Plötzlich erhellte sich der Raum. Dann war der Ton weg. (Es stellte sich heraus, dass es das Geräusch des Motors war). Wir hörten in der Ferne einen Knall und dachten, es sei ein abgeschossenes Flugzeug, das abgestürzt sei. Aber im Laufe des Vormittags flogen mindestens 25 fliegende Bomben über uns und gegen Mittag sah ich die ersten. Es ist wie ein Jäger (Kampfflugzeug), aber mit enormer Geschwindigkeit und hinterlässt eine Rauchwolke. Als es dunkel wurde, sahen wir sie über uns hinwegfliegen wie einen Feuerball, wie einen Kometen. Solange man den Motor hört, fliegen sie weiter, aber wenn er aus ist … oder wenn englische Jäger sie abschießen …

27-12-44: Mit der fliegenden Bombe ist es nicht so schlimm. Die erste Woche war es schrecklich. Sie fliegen Tag und Nacht über Maas und Waal und viele stürzen in der Gegend wegen Triebwerksausfällen ab. In Puifrijk sah ich ein Loch in der Wiese durch eine solche Bombe mit einem Durchmesser von 10 m und einer Tiefe von 5-6 m, ich fand nicht mehr als ein kleines Stück Aluminium. Sie sollen komplett aus Aluminium bestehen und 1000 kg Sprengstoff tragen. Ich habe mit einem Mann gesprochen, der etwa 50 m entfernt war, als eine Bombe abstürzte. „Wir wurden zu Boden geworfen, bekamen einen weiteren Schlag und dann folgte eine große Explosion. Ich fragte ihn, ob er sich noch den Krater der Bombe angesehen hatte, aber das hatte er nicht.

Wir können auch den Start der V2 sehen. Es ist eine Feuersäule, die im Zickzack aufsteigt. Der Aufprall ist 15-mal stärker als bei der V1.

08-01-45: Wir sind von Appeltern nach Mill umgezogen und sind jetzt bei der Witwe Klomp. Hier ist es viel ruhiger und gemütlicher als in Appeltern und die ersten 8 Tage haben wir keine V1 gehört oder gesehen.

08-02-45: Bis jetzt haben wir hier friedlich gelebt. Von Zeit zu Zeit kommen einige fliegende Bomben vorbei, aber das macht uns nicht nervös und wir schlafen gut. Wohl wurde zwischen Mill und Langenboom ein neuer Flughafen gebaut, so dass hier unterschiedliche Menschen leben. Gestern Abend ist wieder etwas passiert. Willem, der älteste Sohn, der hier lebt, hatte hier seinen Kartenclub. Um 10 Uhr hörten wir, wie üblich, schwere Bomber auf Deutschland zu fliegen. Wir gingen nach draußen, um nachzusehen, und sahen, wie Hunderte von Leuchtraketen geworfen wurden. Dazwischen sehen wir Phosphorbomben fallen. Es ist weit weg, aber wir sehen doch Wolken von Flugabwehrgeschützen am Himmel. Es war ein wunderschönes Feuerwerk. Am Morgen wissen wir es: Kleve und Goch wurden von 700 schweren Bombern bombardiert. Auch in dieser Nacht zieht dreimal ein großer Schwarm von Bombern über uns hinweg. Um halb fünf beginnt die schwere Artillerie zu feuern. Man kann sich vorstellen, dass in dieser Nacht nichts aus dem Schlaf wurde. Am Morgen begannen die Typhone von beiden Flughäfen zu starten und wieder zu landen, das können wir von unserem Haus aus gut sehen. Den ganzen Tag sitzen wir in einem schrecklichen Lärm, während sie sehr tief über unser Haus fliegen, um sich in Formation zu vereinen. Auf einmal, so gegen 4 Uhr, sehe ich ein Flugzeug kreisen und es kommt direkt auf mich zu. Im hinteren Teil des Waldes wirft er 2 Bomben ab. Ich bin schockiert und es gibt eine laute Explosion. Zuerst dachte ich: Es ist deutsches Flugzeug, aber als er überflog, sah ich deutlich die englische Vignette. Später höre ich von einem englischen Soldaten, was los war. Typhone tragen normalerweise Raketenbomben, haben aber auch eine Installation für 2 Bomben von 250 kg unter den Flügeln. Wenn der Pilot beim Start merkt, dass etwas nicht stimmt und er landen will, muss er zuerst die Bomben abwerfen. Natürlich auf freiem Feld. Damit können wir also noch öfter rechnen.

09-02-45: Heute ist es wieder ruhig. Das Wetter ist zu schlecht zum Fliegen, aber um 16 Uhr verziehen sich die Wolken und sofort heben Hunderte von Flugzeugen wieder ab. Ich muss es mir immer anschauen, so interessant ist es. Beim Abendessen um halb sechs gibt es eine weitere große Explosion. Wir eilen raus, können aber nichts sehen und denken, es ist wie gestern. Doch jetzt kommen die Meldungen: Die Offensive ist nun südöstlich von Nimwegen in Richtung Kleve und Goch gestartet.

12-02-45: Wir waren gestern bei Paul in Wanrooy. Auch dort ist gestern einige hundert Meter von ihrem Haus eine Bombe eingeschlagen. Es ist möglicherweise nicht so sicher, wie wir denken. Heute Nacht gab es wieder ein schreckliches Gebrüll der Artillerie. Ich glaube, die Front rückt jetzt etwas weiter von uns weg. Die Flugzeuge, die wir hier sehen, gehören der taktischen Luftwaffe. Es sind alles Kampfflugzeuge und werden nur an der Front eingesetzt.

18.02.45: Auf dem Weg nach Kalkar. Kleve ist nach der totalen Zerstörung in alliierter Hand. Goch und Kalkar stehen unter schwerem Artilleriefeuer. Am 25.01. wurde Heinsberg bereits zerstört. An welche Zeit soll ich mich erinnern?

01.04.1933: Der Boykott jüdischer Geschäfte. Wir waren 14 Juden unter den 300 Mitarbeitern der Firma Tietz in Kleve. SA-Männer laufen durch den Laden und bleiben davor stehen. Sie verbieten den Leuten dort zu kaufen. Am Nachmittag müssen wir Juden das Geschäft verlassen. Ich fahre mit Jacob Bamberg, einem holländischen Juden, zum Hotel „König von Preußen“, wo mein Bus nach Kalkar abfährt. Plötzlich überholt uns ein SA-Mann und fängt an zu schreien: Wir hätten ihn ausgelacht. Aber wir hatten ihn gar nicht gesehen! Wir sind einfach weitergegangen und er folgt uns in einigem Abstand. Ich denke: wenn ich Franz sehe (den Busfahrer, auch ein glühendes NSDAP-Mitglied, mit dem ich mich aber gut verstehe), dann bin ich gerettet. Ich sehe das Hotel und sehe Franz hineingehen, ich rufe und er winkt „Komm auch herein“. Dann kommt mein großer SA und nimmt mich fest. Mein Kollege Jacob kann gehen, weil er Holländer ist. Ich muss mit zum SA-Gebäude. Dort versuchten sie, mich mit Gummiknüppeln zu erschrecken. Dann muss ich in Begleitung von 2 SA-Männern zum Polizeirevier. Hier sehe ich noch gerade, dass ein Auto nach dem anderen mit Kommunisten, SDAP-Mitgliedern und Juden zum Gefängnis fährt. Ich kenne zufällig den Polizeikommissar. Er will mich rausholen. Er ruft das SA-Gebäude in Kellen an. Ich kann dem Gespräch gut folgen: „Hör zu Karel, ich habe schon wieder einen Juden hier, das Gefängnis ist schon zu voll, ich weiß nicht mehr was ich mit all den Leuten machen soll. Wenn ich dir diesen kleinen Kerl schicke, kannst du ihn gut verprügeln. Na gut dann.“ „Jetzt schicke ich dich mit 2 SA-Männern zum SA-Gebäude, sie können ein Stück hinter dir folgen, damit es nicht so auffällt, aber du musst da hin!“. Inzwischen ist es 7 Uhr, der Laden schließt und das Personal verlässt gerade das Gebäude, als ich vorbeikomme. Sie wussten bereits, dass man mich festgenommen hatte und als sie mich sahen, zogen sie mich ins Tor. Sie wollten mich nicht gehen lassen. Dann brachte mich der Direktor in sein Privatbüro. Nachdem sich das Personal etwas beruhigt hatte, ging ich weiter zum SA-Gebäude. Gerade als ich eintrat, sah ich, wie sie einen Jungen, der bis zur Hose nackt war, mit 2 oder 3 Männern mit Gummiknüppeln schlugen. Ich muss nicht lange warten, bis der SS-Führer von Kleve, von Beruf Gemüsehändler, aber nach kurzer Zeit wegen Unterschlagung gefeuert, alle wegschickt, um alleine mit mir abzurechnen. „Zieh dich aus“, sagt er und ich ziehe meinen Mantel aus, dann meine Jacke und er grinst, ein großer Kerl. Aber als er sah, dass ich keine Angst hatte, konnte ich meinen Mantel wieder anziehen! „Weil du keine Angst hast, will ich dir nicht weh tun“, sagt er. Ich muss mich schriftlich für das entschuldigen, was passiert ist. Nachdem es getippt ist, muss ich es unterschreiben.

Es war 1933 und das Personal war noch vom alten Schlag. Als ich jedoch 1937 wieder nach Tietz kam, um meine ehemaligen Kollegen zu besuchen, waren nur noch wenige übrig. Als ich mit einer von ihnen sprach, kam so ein Nazi-Typ und warf ihr vor, zu lange mit einem Juden rumgehangen zu haben…..

Aber der Tag war noch nicht zu Ende. Als ich nach Hause kam, hatte ich genug zu erzählen und unsere Nachbarin, Frau Spier war bis 11 Uhr bei uns. Ich war müde und ging ins Bett, ich schlief sofort ein. Plötzlich wurde ich wachgerüttelt. Da steht Ilse, meine älteste Schwester, an meinem Bett. „Komm mit, die anderen beiden Schwestern weinen.“ „Warum gehst du nicht zu Mama und Papa?“, frage ich. „Sie sind nicht zu Hause.“ „Nicht zu Hause, mitten in der Nacht??“. Ich springe aus dem Bett und kann gerade noch meine Hose anziehen, als die Haustür mit viel Lärm aufgerissen wird und etwa 15 SS-Männer mit meinem Vater in ihrer Mitte hereinstürmen. Ich verstehe nichts, aber sie haben mich schon gesehen und rufen mich nach unten. Das Haus wird komplett auf den Kopf gestellt und der Inhalt aller Schubladen auf den Boden geworfen. Als ich in die Küche gestoßen werde, fällt einer dieser Typen in den Keller. Wütend kommt er heraus und folgt mir durchs Haus. Die anderen haben Spaß, weil er mich nicht fangen kann. Schließlich wird mir noch in den Hintern getreten. In der Zwischenzeit gingen sie mit meinem Vater mit gezogenem Revolver in die Garage, um nach kommunistischen Zeitungen zu suchen. Die Kinder und mein Großvater können oben bleiben, sie werden glücklicherweise in Ruhe gelassen. Später ziehen sie ab. Dann höre ich, was passiert ist. Sie gingen zuerst zu Spier und als sie das Haus durchsucht hatten, blieb Herr Spier in der Küche zurück, als sie in das Zimmer gingen, in dem die übrige Familie war. Als sie nach Herrn Spier riefen und er nicht kam, fanden sie ihn im Flur liegend. Dann riefen sie meine Eltern. Deshalb sind sie zu uns gekommen. Als der Arzt kam, stellte sich heraus, dass Herr Spier an einem Herzinfarkt gestorben war. Danach waren sie nur noch bei uns. Sie nahmen Geld von den Spiers und einen Korb mit Fleisch von uns. Am nächsten Morgen wurden alle Fenster und Wände der Juden beschmiert, auch die der Spiers.

19-02-45: Kalkar unter Artilleriefeuer. Und meine Gedanken gehen wieder zurück. Zur Beerdigung von Herrn Spier. Er war ein geachteter Bürger. Damals konnten noch viele Juden an der Prozession teilnehmen. Aber wo waren die Christen? Die Nachbarn standen hinter den Vorhängen und warteten darauf, wie es weitergehen würde. Sie wollten mitgehen… aber da stand Willy Gembler in Nazi-Uniform (mit dem traditionellen Dolch) mitten auf der Straße und schrieb jeden der anderen Glaubens auf, der mitging. Aber dann Hut ab vor drei Männern. Denn wer ging da im schwarzen Anzug mitten auf die Straße und schloss sich hinten an den Zug? Das waren der Apotheker Scheuer, der Tierarzt Fr. Coenen und ein pensionierter Lehrer.

Kalkar umzingelt

Hier sind einige Namen feuriger Nazis aus Kalkar. Willy Gembler mit seiner ganzen Familie außer seinem Vater. Er hat Juden im Gefängnis geschlagen. Er war der Schrecken von Kalkar! Henneka Löverink, ehemaliger Diener bei uns. Seine Mutter arbeitete lange Zeit als Wäscherin bei uns. Er blieb immer mitten auf der Straße stehen, wenn ein Jude an ihm vorbeiging und schaute ihm nach. Das hat er einmal mit meiner Mutter versucht, aber sie ging auf ihn zu und sah ihm so lange in die Augen, dass er sich umdrehte und ging. Das hat er seither nicht mehr mit ihr versucht!

Uhrmacher Wolf, ehemaliger Separatist und Kommunist, ein Mann, dessen Fahne mit dem Wind weht.

Carl Diebels: SS-Mann um sein Geschäft wieder in Gang zu bringen. Else Gembler, Schwester von Willy und Tochter von Dr. Bergman. Die Tochter von Zahnarzt André, die Eltern und Brüder nicht. Die jüngste Tochter vom Café Quintar. Willy Derks, früher der beste Freund meines Cousins ​​Paul. Willy Sikking: hat mich mit anderen Nazis überfallen, noch bevor Hitler an die Macht kam. Im Prozess konnte ich jedoch nur angeben. Er wurde für 2 oder 3 Monate inhaftiert.

Niederländische Infanterie kämpft auch in der ersten kanadischen Armee. Kalkar wurde vollständig gesäubert und neue Truppen durchbrachen die Siegfried-Linie.

Heinsberg, 18. November 1938: Aus Heinsberg will ich nur Folgendes schreiben: Ist nicht vergessen worden, dass sie die Synagoge angezündet haben, dass sie Pflastersteine ​​durch die Fenster der Juden warfen und dass alle Männer verhaftet wurden? Ihnen ihre Häuser abgepresst hat und sie schließlich in einer baufälligen Fabrik außerhalb der Stadt zusammengetrieben haben, genau wie Infizierte…….und dann………auf nach Polen!

21-02-45: Ich war mit Paul auf dem Weg von Mill nach Cuyck. Plötzlich sahen wir ein Flugzeug, das sich seltsam verhielt, der Motor ging aus. Das Flugzeug stürzte direkt vor unseren Augen senkrecht ab. Wir sahen den Piloten noch herausspringen, aber der Fallschirm öffnete sich nicht mehr. Das Flugzeug ging in Flammen auf, aber wir hörten keinen Knall einer Explosion. Wir waren weniger als 200 m entfernt und waren die ersten, die ankamen. Es war eine englische Spitfire und der Pilot lag in der Nähe des Flugzeugs … tot. Das machte mir zu schaffen. Es ging tagelang durch meinen Kopf. Jeden Tag werden viele Soldaten getötet, aber was man selbst gesehen haben, ist doch anders!

Aber es war ein wunderschöner Tag, es war viel los in der Luft und ich hatte schon lange nicht mehr so ​​viele Bomber gesehen.

02-03-45: Ich ging mit Paul nach Venray. Die Stadt litt stark unter den Bombenangriffen der Engländer kurz vor ihrer Einnahme und durch Granaten. Aber wir sind auch durch Overloon gefahren und dazu möchte ich etwas schreiben. Es ist, oder besser: war ein Dorf, das dreimal den Besitzer gewechselt hat. Dort habe ich zum ersten Mal gesehen, was Krieg wirklich ist. Von allen Häusern sind nur noch einige Mauern übrig. An einem Teil eines Flügels sieht man, dass dort früher eine Mühle stand, an Eisenstücke und einem alten Pflug, dass dort früher eine Schmiede war. Die Bäume sind halb abgebrochen oder mit Baumwurzel und allem aus dem Boden gezogen. Die Kirche ist komplett eingestürzt. Auf dem Land Trichter von Granateneinschlägen und dazwischen die Gräber gefallener Soldaten, ein kleines weißes Kreuz, der Helm auf dem Grab. Freund und Feind liegen dort friedlich zusammen. Die Felder sind meist mit weißem Band gesäumt und kleine dreieckige, rote Schilder weisen auf die Minen hin. Im Übrigen sieht man nichts als Schutt, Schutt und noch mehr Schutt. Von den Ruinen von Nimwegen habe ich noch nichts gesehen, auch nicht nach der Bombardierung am 22.02.44. Aber das reicht mir. Ich will kein Kriegselend mehr sehen.

 

30-03-45: Heute ist der zweite Pessachtag und meine Gedanken gehen oft, zu oft zurück zu etwas, über das ich noch nicht geschrieben habe. Elli war heute Morgen beim Frisör und als sie zurückkam, erzählte sie mir, dass sie seit genau drei Jahren nicht mehr beim Frisör war.

Das war auch kurz vor Pessach (März 1942), als wir zur SS nach Amsterdam gehen mussten, um „eine Erlaubnis zur Auswanderung auf dem Seeweg“ zu bekommen. Der größte Betrug, den es gab, um den Leuten alles zu nehmen. Jedenfalls bekamen wir eine Reisegenehmigung für Amsterdam und konnten gemeinsam einen schönen Sederabend verbringen. Wir werden das nie vergessen, denn es war das letzte Mal, dass wir zusammen in Amsterdam waren. Aber Elli und ich spürten schon, wie das Damoklesschwert wieder etwas tiefer über unseren Köpfen schwebte. Das wollte mein Vater nicht sehen, dachte nicht an Polen und glaubte immer noch an die „Auswanderung“. An Pfingsten waren Vater und Mutter noch bei uns, aber danach folgten die Ereignisse in schneller Folge. Ein jüdisches Gesetz nach dem anderen kam: Stern tragen, Fahrräder abgeben, nicht mehr Bus, Bahn, Straßenbahn fahren, keine christlichen Wohnungen mehr betreten und umgekehrt: keine Christen bei Juden, um 8 Uhr weg von der Straße usw.

Wir hatten ein Versteck und wurden in unserer kleinen Wohnung oben jeden Abend nach 8 Uhr eingesperrt, wie in einem Käfig zum Aufsammeln. Dann schlug die Bombe ein. Meine drei Schwestern standen auf den ersten Deportationslisten in Amsterdam. Ilse versteckte sich mit Govert, soweit ich weiß, in Groningen. Ellen bekam ein ärztliches Attest und durfte zurückbleiben und Lore…. da sie noch minderjährig war, hatte mein Vater zu viel Angst, sie untertauchen zu lassen. Sie ging nachts allein als 16-jähriges Mädchen zum Bahnhof, um sich den anderen armen Juden anzuschließen. Am 15. Juli 1942 war dies auch das Signal für uns, unterzutauchen. Mit meinen Eltern und Ellen hatte ich bis zum 15. März 1943 Kontakt, aber sie hörten nie wieder etwas von Lore. Es kam nur einmal vor, dass die Leute selbst zum Bahnhof mussten. Da zu wenig Leute kamen, gingen die Henker dann selbst los, um die Leute aus den Häusern zu holen und das natürlich nach 8 Uhr abends.

Wir haben uns seit dieser Zeit versteckt und erst am 17. November ’42 kam die Polizei, um uns zu suchen, als alle Juden aus Nimwegen abgeholt wurden. Wir haben es nie bereut, schon 4 Monate zuvor untergetaucht zu sein. Wir machten uns große Sorgen um meine Eltern und Ellen. Was konnten wir machen? Ich war doch selbst untergetaucht und es war so schon schwer gewesen, für uns selbst einen Platz zu finden. Wir haben gesehen, wie Onkel Gustav und Tante Jennie die ganze Zeit versucht haben, ein Versteck bei ihren Bekannten und Kunden zu finden, was nicht geklappt hat. Ich habe sofort nach Amsterdam geschrieben, ob Ellen nicht untertauchen wolle. Die Magendans hatten versprochen, dass Ellen bei uns bleiben könnte, wenn sie keine Adresse finden würde. Aber dann wollte Ellen noch nicht. Später vereinbarten wir mit ihr, dass sie kommen würde, wenn die Eltern abgeholt wurden und sie zurückbleiben konnte. Aber es kam ganz anders.

Zuerst ein Wort zu Ellen: Sie hat den Fehler gemacht, zu lange zu warten. Sie hätte sich durchsetzen und sofort kommen sollen, dann wäre alles gut gewesen. Aber je länger es dauerte, desto mehr Angst hatten wir. Schließlich wusste ich nicht mehr, wohin ich Herr Magendans schicken sollte. Ich war zu feige geworden, um selbst etwas für Ellen zu suchen. Magendans sprachen nicht mehr darüber. Elli hat so oft mit Frau Magendans über Ellen gesprochen. Aber sie sagten nichts mehr davon, Ellen herkommen zu lassen. Inzwischen hatten sie durch Zeitungen und Geschichten auch Angst bekommen. Und dann ………. und dann ………. habe ich Ellen abgesagt. Dies war mein schwerster Brief, den ich je geschrieben habe und ich hoffe, ich muss nie wieder so etwas tun. Huib (Sohn Magendans) brachte ihn selbst nach Amsterdam und… brachte einen sehr fröhlichen Brief zurück. Schade, ich habe ihn gleich zerrissen, aber Ellens Gedicht kam auch mit. Das war am 14.03.43. Nach 14 Tagen würden wir wieder schreiben,

aber es kam kein Brief mehr und ich habe nichts mehr von ihnen gehört. Ich hatte nie Kontakt zu Ilse und jetzt, da das Ende des Krieges in Sicht ist, bin ich sehr gespannt, ob ich sie wiederfinde.

12-04-45: Ich habe gestern mit dem ersten alliierten polnischen Soldaten gesprochen.

15-04-45: Die Kanadier sind in Groningen einmarschiert. Wird Ilse dort sein und ist sie lebend davongekommen? Ich sage nur, was wir all die Jahre gesagt haben: ICH HOFFE

19-04-45: Heute habe ich den ersten Zug mit deutschen Kriegsgefangenen gesehen und bin den ganzen Zug entlang gefahren. Meine Knie zitterten vor Aufregung. Es sind immer noch dieselben frechen Gesichter. Ich konnte nicht widerstehen, ihnen „Schweinehunde“ und „Wir haben den Krieg nicht gewollt“ zuzurufen . Als sich der Zug in Bewegung setzte, begann von allen Seiten ein Beschuss mit Steinen und schnell verschwand „das Herrenvolk“ aus den Fenstern. Was für ein Unterschied zu den belgischen Kriegsgefangenen, die ich 1940 auf Schiffen in Nimwegen gesehen habe. Da sammelte die Bevölkerung Lebensmittel aus den Häusern und brachte sie in Booten zu den Schiffen. Was werden diese Deutsche wohl denken? An jedem Bahnhof, auf jeder Straße in den Niederlanden bis nach England schreien die Leute Hass und Bitterkeit in ihre dummen, selbstgerechten Gesichter!

 

10-05-45: Ja, ja, Leute, es ist unglaublich und doch ist es wahr: Der Krieg ist vorbei. In den letzten 14 Tagen folgten die guten Nachrichten in schneller Folge. Am 22. April, nachdem die Brücken freigegeben worden waren, fuhren Elli und ich nach Nimwegen, um eine Wohnung zu finden. Und wie viel Glück wir hatten. Am nächsten Tag hatten wir schon eine und was für eine Wohnung! Sie gehörte einem NSB-Mitglied, das jetzt mit seiner Frau in Vught war. Wir konnten sofort einziehen, komplett eingerichtete und ausgestattete Küche, mit allem dabei. Wir haben 2 große Zimmer und einen schönen Garten. Es ist eine Erdgeschosswohnung, die wir uns schon immer so sehr gewünscht haben. Wir werden Mill am 1. Mai verlassen und werden diese guten Leute dort nie vergessen. Wir erwarten, dass Marie und Willem uns heute besuchen. Unsere Adresse ist jetzt Dobbelmanweg 21. Wir waren die erste Woche sehr beschäftigt, um alles in Ordnung zu bringen. Am Freitagabend um viertel vor neun kam dann die Nachricht: Feldmarschall Montgomery teilte General Eisenhower mit, dass alle Streitkräfte in den Niederlanden, Nord- und Westdeutschland, einschließlich der friesischen Inseln und Helgoland, sowie Dänemark kapituliert hätten. Diese Kapitulation würde morgen früh, Samstag, 5. Mai, um 8 Uhr in Kraft treten. Die ganzen Niederlande sind wieder frei.

Montag 7. Mai war ich mit Paul in Druten und wir saßen gerade in einem Café, da kam die Nachricht: Bedingungslose Kapitulation Deutschlands.

Und was nun. Es ist ein einziger Partyrausch. Die ganze Stadt ist ein Meer von Flaggen. Sobald es dunkel wird, beginnt das Schießen, genau wie im September. ’44, als die Engländer kamen. Damals war es Ernst, jetzt ist es Spiel. Hunderte von Leuchtraketen werden vom Boden aus abgefeuert und man muss aufpassen, dass man einem nicht auf den Kopf bekommt. Suchscheinwerfer spielen am Himmel und zwischendurch zünden die Jugendlichen allerhand Zeug, wobei natürlich auch Unfälle passieren. Heute Nachmittag haben wir gesehen, wie ein Junge von etwa 10 Jahren mit einem Stein auf eine Kugel schlug. Es war schon zu spät: eine Explosion… und 2 oder 3 Finger baumelten an seiner Hand. Er lief brüllend davon.

Wir sitzen oft still in unserem Haus und denken viel über die anderen nach. Kommt noch jemand aus unserer Familie und Bekannten zurück? Von Ilse habe ich noch nichts gehört. Ist sie noch da?

12-05-45: Wir haben ein Wagenspiel der Studenten auf dem Grote Markt gesehen. Es war wunderschön. Alle bekannten Persönlichkeiten wie Hitler, Seyss-Inquart, van Geelkerken und Mussert waren vertreten. Wir als Zuschauer waren alle gut ausgebildete Nationalsozialisten und riefen nur Sieg-Heil, „Houzee“ und Heil Hitler.

Wie schön ist es, das gesamte niederländische Volk wieder frei und mit seinem wahren Gesicht zu sehen.

29-05-45: Beesterswaag 25 Mai’45

Geehrter Herr,

könnten Sie mir vielleicht Auskunft über meinen Bruder Alfred Vyth, geb. 3. Dezember 1911, letzte bekannte Adresse Nijmegen Timorstraat und seine Frau Elli Kaufman, geben? Darf ich Ihnen im Voraus danken? Ich warte gespannt auf Ihre Antwort. Mit freundlichen Grüßen Ilse Vyth

Von Ilse die erste Nachricht und Gott sei Dank ist sie noch bei Govert, der schon in einer Praxis in Norg arbeitet. Von Kitty de Wijze, die aus Theresienstadt zurückgekehrt ist, hörte ich, dass Mutter, Vater und Ellen mit dem letzten Transport im Okt. ’44 (da waren wir schon frei!) von Theresienstadt in das Vernichtungslager Auschwitz geschickt wurden. Ich habe bereits mit einigen der aus Auschwitz zurückgekehrten Menschen gesprochen. So ist Wietje de Wijze zurück. Wir haben noch ein bisschen Hoffnung.

10-02-46: Das Leben geht einfach weiter. Von all der Hoffnung ist nicht mehr viel übriggeblieben und von der ganzen Familie sind nur Kurt mit Evchen aus Theresienstadt und Grete aus der Schweiz zurückgekehrt. Wir wohnen noch immer am Dobbelmanweg und erwarten unser erstes Baby. Ilse und Govert leben in ihrem eigenen Zuhause in Groningen und Govert gründet jetzt seine eigene Praxis. Gestern ist Sergeant Lang, ein jüdischer Soldat, mit dem wir am besten befreundet waren, nach England abgereist.